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Geschichte

Alter St.-Matthäus-Kirchhof

 


St. Matthäus Kirche /histor. Stich

Im südlichen Tiergartenviertel wurde 1846 die Evangelische Gemeinde St. Matthäus gegründet. Mit der St.-Matthäus-Kirche am Matthäikirchplatz vor den westlichen Toren der Stadt ( am jetzigen Kulturforum zwischen neuer Nationalgalerie und Philharmonie) erhielt die Gemeinde 1844 -46 ein eigenes Gotteshaus, errichtet nach einem Entwurf von Friedrich August Stüler als dreischiffige Backsteinkirche im neuromantischen Stil. Hier siedelten sich höhere Beamte, bedeutende Unternehmer, bildende Künstler und bekannte Wissenschaftler an. Seit dem späten 19. Jahrhundert war das Wohngebiet als "Geheimratsviertel" bekannt.


Ältestes Foto vom Friedhof 1870

Für die Anlage eines eigenen Friedhofs erwarb die Gemeinde 1854 ein Hanggrundstück bei dem Dorf Schöneberg. Am 25. März 1856 fand hier die erste Beisetzung statt. Der Friedhof erlangte über die Gemeinde hinaus zunehmende Beliebtheit und musste bereits 1863 nach Osten sowie 1866 und 1884 nach Westen erweitert werden. Auf dem Foto erkennt man links das alte Totengräberhaus. Die Friedhofsmauer war dort, wo jetzt die mittlere Gräberwand verläuft. Auf dem Hügel das große Mausoleum C. von Gehring noch mit einer Victoriastatue auf der Kuppel und klein davor das Grabmal Streichenberg-Scharmer (s.u.). Von dort konnte man damals den Tiergarten sehen, Sonntags spazierte man über die Potsdamer Strasse an Gärten vorbei zum Friedhof.

An der Stelle der hölzernen Trauerkapelle von 1876 erhielt der Friedhof gemäß seiner gestiegenen gesellschaftlichen Bedeutung 1906-09 eine repräsentative Trauerhalle im Stil der italienischen Renaissance und des Barock. Dieser wurde nach Norden hin durch eine großartige, neubarocke Toranlage ergänzt. Zugehörig war ein Verwaltungsgebäude und ein kleines Latrinenhaus. Während letzteres nach 1945 als Verwaltungshaus umgebaut werden konnte (nun Café "finovo"), musste die Ruine des kriegszerstörten Verwaltungsgebäudes abgetragen werden (jetzt Werkshof).

Die auf dem Kirchhof Beigesetzten stammten in der Regel aus vermögenden Familien der bürgerlichen Oberschicht; viele repräsentativ gestaltete Grabmäler zeugen davon. Die Gestaltung der Architekturen, Skulpturen und Grabgitter erreichte oft ein hohes Niveau. Zahlreiche bekannte Architekten, Bildhauer und Kunstgewerbler der preußischen Kaiserzeit haben auf dem Friedhof Werke hinterlassen.(Unten: Grab Albert Streichenberg 1900 (Anlage von 1875)/ jetzt Denkmal PositHIV e.V., Grabanlage Eckardstein/Eckartsberg 1887, Gräber Gebr. Grimm und Söhne ab 1859)

   


Umbauplan 1938
(Friedhof: grau)

Zu einer teilweisen Zerstörung des Friedhofs kam es 1938/39, als das an der Großgörschenstraße gelegene nördliche Friedhofsdrittel aufgehoben wurde. Tausende Gräber, darunter aufwendige Erbbegräbnisse (z.B.: Langenscheidt und Reichelt), mussten der Speerschen Hauptstadtplanung (Germania) zur Anlage einer monumentalen Nord-Süd-Achse weichen. Die Gräber wurden eingeebnet oder auf den Südwestkirchhof in Stahnsdorf umgebettet. Die Trauerhalle wurde 1939 bereits in einem Gottesdienst offiziell entweiht. Die für 1941 geplante völlige Aufhebung des Alten St.-Matthäus-Kirchhofs erfolgte dann wegen Kriegsausbruchs nicht mehr, jedoch wurden zahlreiche Grabanlagen während des Zweiten Weltkriegs beschädigt oder zerstört.
Die Beteiligten des Attentats am 20. Juli 1944 (Stauffenberg etc.) wurden hier beigesetzt - nach einem Tag wieder entfernt, verbrannt und auf Feldern verstreut (1975 wurde eine Ehrentafel aufgestellt).
Nach 1945 wurde auf der nun freien Fläche ein Ehrenfeld für Gefallene der beiden Weltkriege errichtet, wo noch kurz vorher Schutzgräben waren.
Im nahen Mausoleum Herpich wird mit einer Statue einem Freund gedacht, der in Theresienstadt ermordet wurde.

Auch in der Nachkriegszeit kam es noch zu Abrissen von Grabmälern. Erst Mitte der 70er Jahre setzte die Erkenntnis ein, dass der Friedhof mit seiner Fülle an zeittypischen Grabdenkmälern ein äußerst erhaltenswertes Ensemble besitzt. So wurden in den letzten Jahrzehnten umfangreiche Sicherungs- und Restaurierungsmaßnahmen an kunst- und kulturhistorischen Grabmalen durchgeführt.

Das marmorne Grabdenkmal für Ferdinand Streichenberg-Scharmer, ein Werk vermutlich seines Onkels, des Bildhauers August Julius Streichenberg (1858), ist wohl nicht nur das älteste auf dem 1856 angelegten Kichhof erhaltene Grabzeichen, sondern gilt auch als eine Inkunabel der deutschen Neugotik des 19. Jahrhunderts .


Streichenberg-Scharmer

Ein Angebot der Kirchhofsverwaltung (Träger seit 2001: Evangelische Gemeinde Zwölf Apostel) , das zum langfristigen Erhalt historischer Grabstätten beiträgt, besteht in der Vergabe von Grabpatenschaften. Bislang fanden dutzende von historischen Grabstätten neue Eigentümer. Der Alte St.-Mattäus-Kirchhof gehört zu den kunsthistroisch und stadtgeschichtlich bedeutensten Friedhöfen Berlins. Fast 60 Gräber verdienstvoller Persönlichkeiten sind als Ehrengräber des Landes Berlin ausgewiesen.

In den letzten Jahen hat sich einiges getan. Moderne und auch nonkonfessionelle Grabstellen sind auf dem Friedhof zu sehen. Sie versuchen die Persönlichkeit und den Geschmack des Verstorbenen wiederzugeben. Gerade auch diese aktuelle Nutzung des Alten St.-Mattäus-Kirchhofs macht einen Rundgang interessant und fördert die Kommunikation. 

     

2006 feierte der Kirchhof sein 150jähriges Jubiläum mit vielen Veranstaltungen und einer Ausstellung in der Infobox. Im September eröffnete dann das Café finovo mit dem Blumenladen.

Quellenangabe:Informations-Faltblatt Alter St.-Matthäus-Kirchhof
Literaturauswahl und Quellen: Jörg Kuhn/ Susanne Kähler: Kunsthistorische gutachterliche Untersuchung zum Denkmälerbestand des Alten St.-Matthäikirchhofes an der Großgörschenstr. 12 in Berlin Schöneberg, i.A. Landesdenkmalamt Berlin, Gartendenkmalpflege, Berlin 2001. Sowie: Fred Wilhelm / Hildegurd Wolff: Alter St.-Matthäus-Kirchhof Berlin, Rundgang zu den Gräbern bekannter Persöhnlichkeiten und zu kulturhistorisch bedeutenden Grabmalen, Berlin 1987.
Bildnachweis: Ausstellung im Container vor dem Friedhof zum 150jährigen Jubiläum, Archiv Prof. S. Einholz
Text & Aktuelle Fotos: L. Wekenborg